Egal wohin wir gehen – Grenzen begegnen uns. Die Security lässt dich nur mit gültigem Ausweis und Boardingkarte ins Flugzeug, der Postschalter ist zwischen 12 und 14 Uhr geschlossen, die Haustür der Nachbarin ist zu.

 

Grenzen geben uns Orientierung und Schutz. Gut gesetzte Grenzen stärken deinen Selbstwert, deine mentale Gesundheit und auch deine Beziehungen profitieren davon.

Im folgenden Artikel zeige ich dir, wieso es uns schwerfällt Grenzen zu setzen. Vor allem aber, wie du deine persönlichen Grenzen erkennst und diese auf eine gute Art kommunizierst.

Grenzen bringen Klarheit

Stell dir ein Haus vor mit einem grossen Garten, einem wunderschönen Teich und einem gepflegten Blumengarten. Sonntagsspaziergänger, spielende Kinder und auch Wildtiere lockt dieser schöne Ort an und der Besitzerin wird das zeitweilen zu viel. Wenn die Besitzerin, nennen wir sie Lisa, wütend aus dem Haus kommt, weil ihr Privatareal betreten wird oder Kinder durch ihren Blumengarten trampeln, stösst dies meist auf Unverständnis oder eine betroffene Entschuldigung.

Lisa entscheidet sich einen Zaun zu erstellen. Ihr Blumengarten und der Teich sind innerhalb des Zaunes, welcher mit Tor und Klingel versehen ist. Der Trampelpfad ist ausserhalb und Lisa freut sich, wenn die Kinder ausserhalb des Zauns auf ihrer grossen Wiese spielen.

Grenzen sorgen also für Klarheit und können das Zusammenleben deutlich vereinfachen.

 

Um gut mit anderen Menschen zusammen zu leben, müssen wir Grenzen von anderen erkennen und respektieren. Anderseits sind wir gefordert unsere eigenen Grenzen zu definieren und deren Einhalt einzufordern.

Warum fällt uns Grenzen setzen so schwer?

Oft setzen wir keine gesunden Grenzen, weil wir Angst vor Zurückweisung, Ablehnung, Ausschluss haben und uns nach Anerkennung sehnen. Wir möchten dem Gegenüber nicht vor den Kopf stossen oder riskieren, dass wir jemanden verletzen.

Übergeordnet geht es um den Wunsch in der Gesellschaft aufgehoben zu sein und unseren Wunsch nach Bindung.

Grenzen setzen_Angst

Nach Grawe ist Bindung eines der vier Grundbedürfnisse, nach dem wir stets streben (mehr dazu im Blogartikel „psychische Grundbedürfnisse“). Ob es dir leicht fällt Grenzen zu setzen hängt daher auch mit deinen frühen Kindheitserfahrungen zusammen. Als kleines Kind ist die Beziehung zu deinen nahen Bezugspersonen überlebenswichtig und du hast alles getan, dass die Beziehung aufrecht erhalten blieb.

Wie setze ich gesunde Grenzen?

Erkenne im allerersten Schritt an, dass du es wert bist, Grenzen zu setzen. Du, dein Umfeld und deine Beziehungen gewinnen von gesund gesetzten Grenzen, denn die Kommunikation wird klarer und einfacher. Lisa erklärt den Kindern, dass sie gerne auf der Wiese Fussball spielen dürfen, aber nicht über den neuen Gartenzaun klettern, um in ihrem Garten Fussball zu spielen.

Wie findest du nun heraus, was für dich stimmt? Wie und wo solltest du nun Grenzen setzen?

gesunde Grenzen setzen

Grenzen identifizieren

Um gute Grenzen zu erkennen, hilft es dir vergangene Erfahrungen zu analysieren. Setz dafür die Forscherbrille auf ohne zu bewerten:

Wo ziehe ich bereits Grenzen? Wie fühle ich mich damit?

In welchen Situationen fühle ich mich unwohl, vor den Kopf gestossen oder gestresst? Könnte dies mit einer nicht gesetzten Grenze zu tun haben?

Wann habe ich das Gefühl, dass ich mich verteidigen muss?

Wann sage ich „ja“, obwohl „nein“ angebracht wäre? Welchen Grund vermute ich, liegt hinter meiner „Ja“-Antwort?

 

Deine Bedürfnisse und Werte wahrnehmen

Deine Bedürfnisse und Werte geben dir eine gute Richtlinie für deine Grenzen. Vermutlich kannst du aus der obigen Übung bereits Bedürfnisse und Werte ableiten.

Um diesen noch mehr auf die Spur zu kommen, frag dich, was dir wichtig ist und was du bewegen möchtest.

Auch Listen mit Werten und Bedürfnissen können dich unterstützen, deine Werte herausschälen. Wo kommen diese zum Tragen, wann und wie passt es für dich?

 

Kommunikation

Dein Gegenüber kennt deine Grenzen möglicherweise nicht. Oft ist sich das Gegenüber gar nicht bewusst, dass sie/er eine Grenze überschreitet.

Wenn du deine Grenzen kommunizierst, kannst du so für Klarheit und Freiheit sorgen.

Erklär auf respektvolle, wertschätzende aber auch klare Art den Sachverhalt, ohne dich zu rechtfertigen oder dein Gegenüber anzugreifen. Sprich aus deiner Perspektive, wie du dich fühlst und was du dir wünschst.

Mach dir auch Gedanken, was du stattdessen möchtest und wie du dich in Zukunft diesbezüglich verhalten willst. Tausch dich darüber mit deinem Gegenüber aus und sorge so dafür, dass keine Fragezeichen zurückbleiben.

 

Unwohlsein beim Grenzen setzen: Aushalten, Akzeptanz und Nachsicht

Wenn du beginnst Grenzen zu setzen, sei geduldig und nachsichtig mit dir und deinem Umfeld.

Es ist normal, dass du dich mal nicht wohl fühlst oder dein Gegenüber erstaunt bis abwehrend reagiert. Es wird dir nicht gelingen, jedes Mal für deine neuen Grenzen einzustehen oder Grenzüberschreitungen wahrzunehmen. Auch können neue Grenzen anfänglich für Unverständnis und Enttäuschung bei deinem Gegenüber sorgen. Lisa muss beispielsweise die Kinder mehrfach darauf aufmerksam machen, dass der neue Zaun auch für sie gilt. Gib deinem Gegenüber Zeit deine neuen Grenzen kennenzulernen. Wenn dein Gegenüber weiterhin deine Grenzen missachtet, lohnt es sich, dir Gedanken über Konsequenzen und die Beziehung zu machen.

 

Bedenkzeit anstelle eines „Nein“

Sagst du „Ja“ und merkst nachher, dass es sich nicht gut anfühlt?

Wir haben die Tendenz Fragen sofort zu beantworten und wenn wir um einen Gefallen gebeten werden, lautet die Antwort oft „Ja“. Später merken wir, dass die Konsequenzen dieser Antwort nicht mit unseren Bedürfnissen oder unserem Zeitmanangement zusammenpassen.

Wenn du vorschnell „Ja“ sagst, mach es dir zur Gewohnheit eine kurze Bedenkzeit zu erbitten. Halte inne und frag dich, ob diese Anfrage mit deinen Bedürfnissen, Werten und Zielen zusammenpasst und ob du Zeit dafür hast.

 

Alternativen anstelle eines „Nein“

Möglicherweise ist dir ein „Nein“ zu radikal oder auch nicht angebracht. Wenn du aber merkst, dass du einer Bitte nicht nachkommen kannst oder willst, überleg dir Alternativen.

Vielleicht hast du jetzt keine Zeit, aber übermorgen?

Du kannst nicht den gesamten Beitrag alleine stemmen, aber dir fällt noch jemand ein, der auch unterstützen könnte?

Neben Schwarz und Weiss gibt es meist Grautöne. Schau, ob mit einem Teil-Ja deine Grenzen respektiert sind.

 

Unterstützung von Aussen

Hast du genügend Zeit, dich auf das für dich Wichtige zu konzentrieren?

Falls nicht: Mach dir Gedanken, welche Tätigkeiten du nicht selber machen musst und ausgelagert werden können, damit du dich auf das Wesentliche konzentrieren kannst.

 

Flexibilität

Starre Grenzen können dir ein ungutes Gefühl geben. Sei dir bewusst, dass du immer die Möglichkeit hast deine Grenzen anzupassen und auch aufzuweichen.

 

Grenzen setzen lernst du nicht von heute auf Morgen. Aus meiner Erfahrung profitieren aber deine mentale Gesundheit, dein Selbstwert (siehe Blogartikel) und deine Beziehungen immens davon, dass es sich lohnt diesen Prozess anzugehen.

Reflektiere heute Abend den vergangenen Tag bewusst:

    • Wo hast du Grenzen gesetzt? Wie hast du dich dabei gefühlt?
    • Wo haben andere Grenzen gesetzt?
    • Wo hast du oder andere Grenzen überschritten?
    • Wo hast du keine Grenze gesetzt, möchtest dies zukünftig?