Emotionen können uns überrollen, wie ein grosses Set von Wellen im Ozean. Mal surfst du die perfekte Welle und wünschst dir, dass es unendlich lange so weitergeht. Das nächste Mal zieht dich die erste Welle eines Sets in die Tiefen des Ozeans, spickt dich wieder hoch, nur um mit der nächsten Welle wieder nach unten gedrückt zu werden. Es fühlt sich an wie in einer Waschmaschine und du hast das Gefühl, dass es nie endet.

Mit Gefühlen ist es dasselbe, sowohl die schönen, als auch die, die wir am liebsten nicht spüren würden – sie gehören zu unserem Alltag dazu.

Emotionen zu vermeiden ist etwa so erfolgreich, wie der Versuch in einem flachen Ozean ohne Wellen zu surfen. Es wird dir nicht gelingen. Darum ist es besser Strategien für einen besseren Umgang mit Gefühlen zu erlernen, als zu versuchen diese zu vermeiden.

Emotionen, psychische Erkrankungen und dein Handeln

Erkenntnisse der Psychotherapieforschung lassen keinen Zweifel offen, dass Emotionen eine zentrale Rolle bei der Entstehung von psychischen Krankheiten zu kommt. Aber auch in Beziehungen spielen Emotionen eine grosse Rolle und durch einen bewussten Umgang bist du in der Lage dich angemessen auszudrücken und gleichzeitig andere nicht zu verletzen. Für Greenberg und Goldman (2008) sind es besonders emotionale Verletzungen, die entstehen, wenn unsere Bedürfnisse nach Bindung und Identität (siehe Blogartikel „psychische Grundbedürfnisse“) missachtet werden, welche für Probleme in Beziehungen sorgen. Denn durch die verletzten Gefühle entstehen oft weitere Emotionen und entsprechend Verhaltensmuster (Gegenangriff, Abwehrreaktionen etc.), die um vor dem eigenen Schmerz zu schützen, aber das Gegenüber weiter verletzen.

Du siehst – ein guter Umgang mit Gefühlen kann dir viel Leid ersparen und für gelingende Beziehungen sorgen.

Mein Ziel ist, dass du Gefühle wahrnehmen, benennen, akzeptieren und dich entsprechend ausdrücken kannst. Ebenfalls geht es darum, dass du problematische, emotionale Muster verändern kannst.

Die eigenen Gefühle lenken – Emotionsregulation

Glücklicherweise sind wir unseren Emotionen nicht hilflos ausgeliefert.

Emotionsregulation bedeutet, dass du einen angemessenen Umgang mit deinen Emotionen hast. Dies bedeutet, dass du Emotionen wahrnehmen, benennen, akzeptieren, ausdrücken, unangenehme Zustände aushalten und allenfalls Gefühle verändern kannst.

Einige Ansätze, die dich bei diesen Schritten unterstützen, möchte ich dir im Folgenden vorstellen:

Sprung Komfortzone

Erkennen, erforschen und verstehen

In Anlehnung an ein Modell von Berking möchte ich dir folgende zwei Schritte vorstellen, die meines Erachtens wesentlich sind bei der Emotionsregulation.

1. Gefühle wahrnehmen und benennen
Mach dir deine Gefühle in einem ersten Schritt bewusst. Insbesondere der Einbezug deines Körpers kann dich dabei unterstützen, diesen Ansatz macht sich auch das Focusing nach Gendlin zu Nutze.
„Was fühle ich jetzt, in diesem Moment?“
„Wo im Körper spüre ich etwas? Spüre ich Spannung im Körper?“
„Wie würde ich dieses Gefühl benennen (beispielsweise Angst, Wut, Scham, Freude etc.)? Sind es mehrere Gefühle – welche?“

2. Emotionen annehmen
Gefühle sind eine natürliche Reaktion auf eine auslösende Situation. Die Akzeptanz, dass es ganz normal ist zu fühlen, unterstützt dich dir Selbstmitgefühl entgegenzubringen.
„Jedes Gefühl hat seine Berechtigung und Gefühle sind normale Reaktionen auf eine Situation.“
„Was möchte dir das Gefühl sagen (Beispielsweise: „Wofür schäme ich mich? Wovor habe ich Angst?“)?“

 

Gefühle, deine Kindheit und die psychischen Grundbedürfnisse

Es gibt eine ganze Bandbreite an Gefühlen – Wut, Freude, Angst, Scham, … Wie du mit diesen heute umgehst, wird zu einem grossen Teil von deinen Erfahrungen in der Kindheit beeinflusst. Im Verlaufe deines Lebens lernst du insbesondere von nahen Bezugspersonen, aber auch von der Gesellschaft. Sie haben dir als Vorbild gedient und um Anerkennung von deinen Bezugspersonen zu bekommen (Blog-Artikel „psychische Grundbedürfnisse“) hast du gelernt deine Emotionen zu steuern. Wenn du beispielsweise gelernt hast, dass Traurigkeit nicht gezeigt werden sollte, hast du diese Emotion höchstwahrscheinlich unterdrückt.

Damit du deine Gefühle besser verstehst, ist es wichtig zu reflektieren, welche Überzeugungen du hast und welchen Umgang du mit Emotionen gelernt hast:

„Wie sind meine Eltern mit ihren Gefühlen umgegangen?“

„Welche Gefühle durfte man zeigen, welche nicht?“

„Welche Bemerkungen wurden über verschiedene Gefühle gemacht?“

 

Aushalten und Ablenkung

Wenn dich eine Welle von Gefühlen überschwemmt und du in eine Grübelschlaufe gerätst, kann Ablenkung in einem ersten Schritt unterstützen. Es gibt auch Situationen, wo es unpassend ist, deinen Emotionen einfach Luft zu machen. Zwei Aspekte sind in diesem Zusammenhang wichtig:

Gefühle sind vorübergehend: Ruf dir in Erinnerung, dass alle Gefühle vorübergehen. Wie bei den Wellen – sie kommen möglicherweise in einem Set, aber danach herrscht auch Ruhe und es verändert sich.

Gefühle haben eine wichtige Funktion: Es geht nicht darum, dass du Gefühle unterdrückst, denn dies führt langfristig zu psychischen Erkrankungen. Es kann aber angebracht sein, dass du dich in einer akuten Situation erst ablenkst und dich den Emotionen später mit Abstand annimmst.

 

Finde etwas, was deine aktuellen Emotionen unterbricht und/oder stoppt:

  • Sport: Gibt es einen Sport, welchem du nachgehst und dabei kein Platz für andere Gedanken bleibt? Dann führe diesen aus.
  • Mathematik: Nimm die Zahl 1029 und teile diese durch 7, das Resultat wiederum usw.
  • Alphabet mit Wörtern: Sprichst du eine Fremdsprache? Geh das Alphabet durch und such für jeden Buchstaben 5 Wörter

Beispielsweise: A abacate, andar, amor, alface, amarelo, B beterraba, beber, beijo, …

 

Innerer Dialog – wie rede ich mit mir selbst?

Beobachte, wie du mit dir selbst sprichst, wenn dich Gefühle überwältigen. Oft ruft dies den inneren Kritiker auf den Plan und unsere Selbstgespräche verfärben sich negativ. Versuch, die Sätze zu erkennen und zu hinterfragen.

„Entspricht diese Aussage der Realität?“

„Würde ich so mit meiner besten Freundin sprechen?“

Beispiel „Dieser Fehler konnte auch nur mir passieren!“ – stimmt das? Was würdest du deiner Freundin entgegnen, wenn sie dies über sich sagen würde?

Diese Betrachtungsweise hilft dir, die Situation differenziert wahrzunehmen, dein Selbstgespräch auf Richtigkeit und Verallgemeinerung zu überprüfen und schwächt die gefühlte Emotion ab.

ABC-Analyse und die Arbeit mit Glaubenssätzen und Überzeugungen

Wie die Wellen im Meer können Emotionen sich fast plötzlich vor dir aufbauen – dies geschieht scheinbar ohne Vorankündigung. Wenn du lernst das Meer zu lesen, weißt du, dass dem nicht so ist. Ebenso ist es bei den Emotionen – besonders hilfreich ist es, wenn es dir gelingt Abstand zwischen den Auslöser und deine Reaktion zu bringen.

Die ABC-Analyse (Blogartikel) lernt dich, zwischen Ausgangssituation und Reaktion eine Pause einzubauen. Meist haben unsere Gefühle nichts mit der aktuellen Situation zu tun, sondern vergangenen Erfahrungen und daraus entstandenen Überzeugungen und Glaubenssätzen. Die ABC-Analyse hilft dir dies zu erkennen und im Anschluss bei unerwünschten Reaktionen zu verändern.

ABC-Modell

Unterstützung durch psychologische Beratung

Die Auseinandersetzung mit den eigenen Gefühlen kann dir Angst machen, alte Themen an die Oberfläche befördern und erfordert viel Reflexionsarbeit. Wenn du also merkst, dass die Fragen, die ich in diesem Artikel aufwerfe, bei dir Wellen schlagen – zögere nicht und nimm Kontakt mit mir auf. Es gibt viele Werkzeuge, die dich unterstützen, deine Gefühle zu regulieren, in diesem Artikel habe ich dir einige vorgestellt, in der Beratung schauen wir jedoch deine individuelle Situation an und passen die Schritte entsprechend auf dich an.