„Stopp, das Geschirr ist sauber!“ ruft Laura Daniel zu. Daniel ist drauf und dran, die Kaffeetasse in die Spülmaschine zu stellen, die nicht ausgeräumt ist. Daniel explodiert und hält sich gerade noch zurück, die Tasse nicht voller Wucht auf den Boden zu schmettern. „Egal was ich mache, du mäkelst immer rum! Es reicht mir!“ schreit er Laura an. 

 

Ist die Situation für das nachfolgende Verhalten verantwortlich? 

Der Psychologe A. Ellis hat herausgefunden, dass nicht die auslösende Situation Gefühle in uns hervorruft und unser Verhalten steuert. Für unsere Gefühle und unser Verhalten ist ein kleiner bedeutender Zwischenschritt verantwortlich: unser Denken (Bewertungen, Erinnerungen, Annahmen, Überzeugungen). 

Die gute Nachricht: wir sind einer Situation nicht ausgeliefert. Nachdem wir unsere Bewertungen unter die Lupe genommen haben, können wird diese verändern. Im Anschluss fühlen und verhalten wir uns anders. Ellis entwickelte hierfür ein einfaches Modell. 

Das ABC-Modell

A (Activating Situation) Ausgangslage, auslösendes Ereignis:

Objektive und präzise Beschreibung der Geschehnisse, die stattfinden. Wer, was, wann und wo?

B (Belief System) Bewertungen, Annahmen, Gedanken, Interpretationen, Überzeugungen: 

Bewertung der Ereignisse (A). Dies passiert oft unbewusst und ist mit vergangenen Erfahrungen verbunden.

 

C (Consequences) emotionale und verhaltensbezogene Konsequenzen:

Nicht das Ereignis (A) ist verantwortlich für deine Gefühle oder Verhalten. Aufgrund von deinen Bewertungen (B) stellen sich Gefühle (C1) ein und du verhältst dich auf eine bestimmte Art und Weise (C2).

 

Erweiterung mit D, E:

Dem ABC-Modell lassen sich noch die Schritte D und E anfügen:

D steht für „dispute“ und meint, dass du die ungünstigen Annahmen (B) hinterfragst und veränderst. Im Anschluss stellt sich E Effect ein: du erfährst neue positive Auswirkungen – sprich deine Gefühle und dein Verhalten (C) verändern sich.

 

Daniels Gefühlsausbruch und das ABC-Modell: 

A: Daniel ist spät dran und will schnell seine Kaffeetasse wegräumen.

Laura macht ihn darauf aufmerksam, dass die Abwaschmaschine nicht ausgeräumt ist.

 

B: „Ich mache immer alles falsch.“,
„Ich kann es ihr nie recht machen.“

 

C: Daniel wird nervös und wütend. Daniel fühlt sich wie ein Versager, ein kleines Kind und zurückgewiesen (C1). Sein Herz rast, sein ganzer Körper spannt sich an. Er verliert die Kontrolle über seine Stimme und würde am liebsten die Kaffeetasse auf den Boden knallen (C2).

 

Erweiterung mit D, E: Daniel hinterfragt er seine Bewertungen. Er kommt zu folgendem Schluss: Seine Mutter hat ihm früher das Gefühl gegeben, dass er ein Versager ist und ihm bei Fehlern Liebe entzogen. Daniel findet zwei neue Grundannahmen: „Ich bin ok, auch wenn ich einen Fehler mache.“ und „Ich muss nicht perfekt sein, um geliebt zu werden.“ Laura ist nicht (wie) seine Mutter. Sie entzieht ihm wegen seiner Unachtsamkeit nicht die Liebe und lässt ihn nicht als Versager dastehen.

 

Als sich die Szene vom Morgen wiederholt, hält Daniel kurz inne und führt sich seine neuen Grundannahmen vor Augen. Er reagiert ruhig, entschuldigt sich für seine Schusseligkeit und sagt zu Laura, dass er am Abend das Chaos beseitigen wird.

 

 Starre Muster unterbrechen

Mit dem ABC-Modell gelingt es, automatisierte Abläufe zu durchbrechen. Es werden Hintergründe klar, die mit der aktuellen Situation überhaupt nichts zu tun haben. Durch das Hinterfragen der Bewertungen lassen sich neue Annahmen bilden. Und plötzlich lösen sich festgefahrene Muster und unlösbare Probleme auf.

 

 

In Aktion:

Wähle eine Situation aus, in der du aus deiner Sicht überreagiert hast. Idealerweise, liegt die Situation nicht lange zurück und sie hat sich in leichten Varianten mehrfach wiederholt.

 

 1. Schritt: A, Ausgangslage

– Beschreibe die Situation so präzise und objektiv wie möglich. Wer, was, wo und wann?

 2. Schritt: C, Konsequenzen

– Welche Gefühle hattest du in dieser Situation? Wie hast du dich gefühlt?

– Wie hast du dich verhalten? Was hast du gemacht?

3. Schritt: B, Bewertung

– Welche Gedanken hattest du?

– Was ging dir durch den Kopf?

– Kannst du dich an frühere Situationen erinnern, die vergleichbar sind? Was was war damals?

 

4. Schritt: D, E Überprüfung, Veränderung und Effekt

– Welche Bewertungen (B) möchtest du verändern?

– Wie könnte der Satz neu heissen?

Wenn du die Bewertungen (B) änderst, werden sich im Anschluss deine Gefühle und dein Verhalten ändern.

 

5. Letzter Schritt:

Übe diese Technik im Alltag, denn es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen und alte Reaktionsmuster haben sich über lange Zeit eingeprägt. Sei dementsprechend auch nachsichtig und geduldig mit dir!